In der südlichen Außenwand des Chores der Pfarrkirche zu Waldkirch ist ein altes, auf einem Sandsteinsockel eingelassenes, gusseisernes, kunstvolles Grabkreuz, das in der Mitte ein verschließbares Eisenblechkästchen trägt mit folgender Inschrift:
"Hier
liegt begraben Johann Michael Jehle von Waldkirch, gewesener Redmann und
Einungsmeister der Grafschaft Hauenstein. Er starb im 82sten Jahre seines
Alters, betrauert von 8 Kindern 32 Enkeln und 6 Uhrenkeln, den 18. April 1831"
Auf dem Decke der Innenseite steht die Bitte: "Sanft ruhe er in dieser Gruft,
Bis Gott ihn zur Vergeltung ruft."
Auf dem Sandsteisockel ist ein Totenschädel mit unterlegtem
Kreuz und einer gebrochenen Fackel, darunter eine Sonnenblume. auf der
Ausenseite des ovalen Deckels ist das Christuszeichen JHS eingemalt.
Johann Michael Jehle
(zur Ahnengalerie)
wurde in Heppenschwand geboren am 16. Oktober
1749. Seine Eltern waren Michael Jehle, Bauer und Einungsmeister, und Katharina
geb. Ebner von Heppenschwand. Sein jüngerer Bruder Johann Baptist Jehle war Vogt
in Heppenschwand. Schon am ersten Tage wurde er getauft. Seine früheste Kindheit
fiel in die Zeit, in der die Salpetererwirren aufs höchste gestiegen waren.
Als der kleine Hotzenbub fünf Jahre alt war, wurden 1755 im Oktober 112 Männer,
Frauen und Kinder ins Banat verbannt. Dem kerngesunden geweckten Knaben entging
kein Wort, wenn sie am Abend in der Bauernstube beim Chienspanlicht von den
Hatschieren und den Weggeführten erzählten. "De Hatschier chunnt und holt di",
war ein erzieherisches Lieblingswort seiner Mutter, wenn dem eigensinnigen
Hotzenbuben das Folgen schwer wurde.
In seiner Jugendzeit brannte das Kloster und Kirche zu St. Blasien vollständig nieder (1768). Da gab es viel zu hören und zu schauen. Wenn die damalige Ortsschule auch nicht das ganze Jahr dauerte und im Sommer fast ganz ausfiel, lernte der kleine Johann Michael doch tüchtig schreiben und rechnen. Man staunt über diesen Hotzenwälder, wenn man seine Briefe, Berichte, Statistiken und eine besonders peinlich genau geführte Chronik liest. Oft begegnet man in den Aktenbeständen des Hotzenwaldes am Ende des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts dieser zierlichen, gut leserlichen, mit Kielfeder geschriebenen Handschrift des Waldkircher Redmanns.
Am 16. Oktober 1796 suchten die Franzosen die zwei
einflußreichsten Bürger in Waldkirch zu schädigen. Sie zündeten die Wohnhäuser
des Redmanns Johann Michael Jehle und das Wirts- und Wohnhaus des Johann Tröndle
an, wobei noch eine Scheuer und ein Kleinhäuschen niederbrannte.
In der Wohnung des Redmanns, die zugleich Versammlungsort für
Gemeindeangelegenheiten war, wurde "die Gemeindelade und Gemeindeschriften"
aufbewahrt, die beim Brand nicht mehr gerettet werden konnten. Redmann Jehle
legte nun ein "neues Gemeindebuch" an, das sich in jener geschichtlich bewegten
Zeit im laufe der Jahre zu einer Chronik erweiterte. Er bedauerte, dass er
diesem Buch "Bereine und ältere Schriften" nicht einverleiben könne, da sie bei
der Feuersbrunst zerstört worden seien.
Johann
Michael Jehle war ein klarer Kopf. Die einzelnen Teile der Chronik tragen
selbstbestimmte Überschriften: "Verzeichnis der Steuern und Schatzungen in der
Gemeinde Waldkirch. Feuersozitätsanschlag der Gemeinde Waldkirch. Dingung und
Akkord eines Nachtwächters, Schweinehirt und Bannwarth. Geschichtserzählung.
Scheermauserakkord. Verzeichnis des Weinschlags oder sogenannten Waldshuter
Weinrechnung vom Jahre 1762 an. Noch ein größeres Übel oder der sogenannte
Weinaccis. Das Jahr der Not. Gemeindeschluß wegen der Weiden. Der fürchterliche
große Brand zu Bonndorf 1822. Übersetzung des Bischofssitzes von Konstanz nach
Freiburg 1829."
Unter der Bezeichnung "Nota" schildert er kurz und Bündig wichtige
Zeitereignisse.
Jehle war ein Mann mit einem weiten Blick. Sein Federkiel kümmert sich um Dinge weit über Waldkirch, den Hotzenwald und seine Zeit hinaus. Er gibt einen Überblick über die ganze Einungsgeschichte. Mitte Juli des regenreiche Jahres schreibt er: "Am 6. Juli 1817 ist der Wasserstand am größten gewesen. In Konstanz ist der See soweit in die Stadt eingelofen, dass sich niemand erdenken kann, ja man hat in keiner Kronek gefunden, dass dieser See so hoch angeschwollen war. Er war dermahl 10 Zol höher als im Jahre 1640, da er doch damahl auch auserordentlich angelofen war. Über dieses hat der Windt in diesem Wasser so gewütet, das die Wasserwellen 12 Schue hoch herumgetrieben wurden und ein großen Schaden anrichteten. Der Rheinstrom hat große Verwüstungen angerichtet, weilen er an sehr vielen Orthen überlofen, folglich aus dem Ufer getreten. Dieser hat zu Waldshuth in der Schmitenau und Äule vieles, dann zu Dogern in der Au alle Sommer- und Wintergewechs gänzlich zu grund gerichtet. Man hört durchgehents und von allen Seiten her, dass dieser große Wasserstrom großen Schadten und besonders auch in den Niederlanten ect viele Überschwemmungen gemacht habe" (S. 62).
Über die Aufhebung der Kapuzinerklöster im jetzigen Baden berichtet er: "Bis dahin hat zu Waldshuth ein Kapuzinerkloster existiert, in welchem ehemals 25 bis 30 Kapuziner gewesen und ihren Unterhalt gefunden haben. Da aber sowohl die vorherigen, als gegenwertigen Landesfürsten beschlossen, alle Klöster aufzuheben, folglich dieselbe nach und nach aussterben zu lassen, so hat es sich ergeben, dass in dem gedachten Kloster alle Kapuziner gestorben, ein einziger Mann mit Namen Pater Sabi, welcher 74 Jahre alt war, ausgenommen. Zur folge hoher Verordnung musste derselbe anfangs Dezember 1821 von Waldshuth nach Staufen im Breysgau abmarschieren, alwo er aldorten ebenfahls im Kapuzinerkloster samentlich im Großherzogtum Baden befindliche Kapuziner beysammen antrafe. Die Anzahl derselben war 8 Mann, wovon der erwente Herr Sabi, welcher 74 Jahre alt, der jüngste war" (S. 65).
Ausführlich erwähnt er auf vier Seiten der Chronik die
Errichtung des Erzbistums Freiburg
, die erste Introhnisation mit den
anwesenden Persönlichkeiten, die Seelenzahl des Bistums und die Einkünfte des
Erzbischofs und der Domkapitulare usw.
Die Feuersbrunst in Lembach, Juni 1822 (32Häuser), zu Trieberg im Frühjahr 1826
(100 Häuser), zu Obermettingen am 10. April1826 (18 Häuser und die Kirche), in
Bonndorf 20. auf 21. Dezember 1827 (46 Häuser) und die bei diesen Unglücksfällen
getätigten Sammlungen und das Ergebnis in Waldkirch schildert er zum Teil in
Einzelheiten. In der letzten hälfte des 18. Jahrhunderts war vieles von den
Einungsfreiheiten und Rechten abgebröckelt. Die Österreichischen Beamten in
Waldshut und Freiburg, die besonders unter Josef II "allmächtig" geworden waren,
schnitten für sich Riemen aus der alten Einungsverfassung wo sie nur konnten.
Jehle sah mit Schmerz und Kummer Stück für Stück der alten Zeit
die Alb und den Rhein hinunterschwimmen. Gegen den Absolutismus nützte auch der
hartnäckigste Hotzenkopf und Hotzentrotz nichts mehr.
Wie blutete dem Fünfziger das Herz, als die neue Zeit mit den alten
Überlieferungen ganz und gar aufräumte. Er schreibt in seiner Chronik (S. 34 auf
45) unter anderem: "Das Land Breysgau, zu welchem die Grafschaft seit dem Jahre
1764 einverleibet worden, ist viele hundert Jahr dem Hause Österreich zugethan
gewesen, entlich im Jahre 1803 am 2. März wurde dieses Land zur folge
Friedensschluß von Lineville (Luneville) an den Herrn Herzog von Modena
übergeben, hierauf in einem Jahr ist der gedachte Herzog gestorben, daher ist
dieses Land an sein Tochtermann Herzog Ferdinand, ein österreichischer Prinz,
erblich zugefallen, dieser besaß das Land nicht volle zwei Jahr, so hat der
König von Witenberg (Württemberg) dieses Land in Besitz genommen, nach deme der
besagte König diese Land siben Wochen in Besitz gehabt, so hat der bisherige
Churfürst von Badten, anjetzo Großherzog, ihm dasselbe wider abgenommen, daher
ist zu sehen dass wir vom 1. März 1803 bis in dem 25. Mai 1806 fünf
Landesfürsten zugehört. Ich überlasse jedem vernünftigen Menschen zu urteilen,
wie es mit den Unterthanen überhaupt ein Aussehen gehabt, besonders wenn man in
Erwägung zieht, das durch den besagten Krieg und viele Abänderungen der
Landesfürsten bereits aller Handel und Wandel, folglich mit demselben auch aller
Verdienst nachgelassen, die gewöhnliche Abgaben hingegen um 3 oder 4 mal
vermehrt worden."
Besonders klagt er S. 46 und 47 über
die neuen Steuern im
Hauensteinerland
:
"Im Anfang des Jahres 1812 wurde von der Großherzoglichen Regierung in alle
Amtsbezirke Kommisar (man nannte dieselbe Steuer Kommisar) abgeschickt, ein
jeder hat noch 2, 3 oder 4 Steuer - Protokolisten (nach deme sein angewissenen
Distrikt groß oder klein war), Schreiber eine Arth Sekretär bey sich. Diese
mußten alle Häuser und Scheuren, und alle Grundstücke, sie seyen groß oder
klein, wessen Gattung Bodtenes sein mag, der größe nach samt allen Gräntzen und
Anstößeren beschreiben, dieselbe in zerschidene Klassen eintheilen, solche
schätzen, taxieren, klassificieren und anschlagen lassen und wan alles dieses
vorgegangen und vollendet war, so musste diese große Arbeit von allen Seiten an
das Steuer Departement nach Karlsruhe abgeschickt werden, alwo alle Häuser, dann
jedes Grundstück nach seinem Anschlag und Abschätzung mit Steuer belegt werden
solle, folglich auf solche Arth ein gantz, ja ein gantz nagelneuer Steuer Fuoß
entrichtet werden solle. Dargegen solle der alte Steuerfouß aufhören. Man
fürchtet das dieser neue Steuerfouß sehr ungleich, folglich sehr verschiden
herauskommen werde, das die besagte Herren Steuer Kommisär und die häusige
Herren Protokolisten (welche dato schon drey viertel Jahr im Lande und
vielleicht noch eben so lang bleiben dörften, bis sie die sehr weitschichtige
Arbeit vollendet haben) bis dahin vieles gekostet haben und wie es scheint noch
vieles kosten werde. Dan die Güterbesitzer müssen disen Kosten - Aufwand nebst
anderen häufigen Abgaben noch berichtigen, dass eine solche Abgab bey einem
bereits auf das höchste gestigenen Gelt Mangel dem Bauersmann hart gekommen sein
muß, wird ein jeder Leser garwohl fassen und glauben können."
Unter der Überschrift "
Noch ein gößeres Übel
" spricht er
auf S. 48 vom Weinaccis, der dem Erheber den Namen Acciser brachte:
"Auch ist in diesem Jahr, nemlich im Jahr 1812 noch eine neue, ja eine Nagel
Feuer funkelneue Abgab zur Folge Großherzoglich Badischen Verordnung aufgekommen
und eingefüehret worden, diese nante man Accis - Abgab. Vorhin hat man in
unserer Gegent nichts von Accis gewusst, ja man hat dieses Wort nicht einmahl
gekant.
Diese Accis - Abgab hat am 1. April dies Jahr im gantzen Großherzogtum den
Anfang benommen, auch wurde in jedem Orth, seye er groß oder klein, zur
Bequemlichkeit der Bürger ein Acciser aufgestellt. Daher musste denselben gegen
Scheinen, von allen im Land befindenden Menschen, er seye reich oder arm, wessen
Stand und Alter er seye, folgentermaßen gezahlt werden. Man rechnet, dass dieser
Accis der Großherzoglichen Kasse drey Milionen Gulden eintragen werde."
Wo die badische Regierung im Walde den geringsten Widerstand spürte, griff man
rasch und stark zu. Pfarrer Franz Xaver Walter von Waldkirch wurde wegen
missliebiger Äußerungen gegen das jetzige Regiment verhaftet, aber bald wieder
freigelassen. Schlimmer erging es dem Egidius Riedmatter von Kuchelbach und
seinen Anhängern den sogenannten "Egidlern". Der ganze Hotzenunmut zittert dem
Jehle in die Feder, wenn er S. 52 darüber sich ausläßt:
"
Geschichtserzählung
.
Am 26. Hornung 1815 auf den Abent ruckten auf Verlangen des Bezirksamts zu
Waldshuth 2 Kompanien Großherzoglich badische Soldaten, zusammen 230 Mann, in
Waldshuth ein.Am 27. in der fruch seind dieselbe nacher Kuchelbachund haben alda
den Egite Riedmatter samt seinen zwey Söhnen als Rohstörer abholen wollen, da
dieselbe aber schon staubaus waren, so haben dieselbe das Weib mitgenommen und
seind nacher Birkingen und Birndorf, und auch Kolweg und haben in dieser Reise
auch etliche geheuratete Männer, auch ledige arrediert und nacher Waldshuth
gefüehrt. Am 28. und 1. Märtz gieng es nicht besser. Am 2. Märtz abents um 10
Uhr kamen 25 Soldaten, nebst einem Hatschier und ein anderer Mann von dem
schlechtesten Karakter zu Waldkirch in dem Pfarrhof an. Diese arredierten den
alsdasigen Herrn Pfarrer Walter und musste also gleich ohne Pfertt, sogleich in
der finsteren Nacht zu Fuos (und sogar ohne Stock) auf Waldshuth in Arrest,
aldorten er am 3. Märtz bey dem Oberamte abgehört und entlich auf den Abent
wieder nach Haus gelassen. Am 4. Märtz seind endlich wieder 150 Soldaten
abmarschiert. Der Rest ist noch auf der Execution geblieben. Am 6. Märtz hat man
dem Egite Riedmatter sein Vich verkauft, um einige Kösten hieraus bestreiten zu
können. am 9. Märtz ist der Egite Riedmatter zu Oberalpfen in das Wirtshaus
gekommen. Alda hat man denselben weggenommen und nacher Waldshuth gefüehrt. Er
wurde aldorten nebst mehreren andern eine Zeit lang eingekerkert und am Ente auf
unbetimbte Zeit samt seinem Sohn ins Zuchthaus gethan, ob wollen es am Ente
gezeigt, dass dieser Egite Riedmatter nicht weniger als ein Ruhstörer war. So
ist am Ente des gantzen Processes dahin ausgekommen, daß er den Accis von seinem
Brennhafen nicht gezahlt. Dieses war das größte Verbrechen so man auf ihne
bringen konnte. Man erwartet dermahl noch, wer die vielen Kösten, so theils
durch das Militär, theils anderwärtig gemacht worden, zusammen mehr als 3000
Gulden zu zahlen aufgebürdet werde.
Dan die meiste dieser Kösten seind durch das Amt muthwillig oder wenigstens
unvorsichtig oder unüberlegt gemacht worden."
Jehle wusste gewählt zu schreiben und spannend zu erzählen. In der Einzelschilderung ist er ein Meister. Die St. Blasianer waren von altersher auf die Schulbildung ihrer Untertanen bedacht. Besonders seit Abt Caspar II. (1571 - 1596) bis zur Aufhebung des Klosters wurden mehrere Schulordnungen erlassen. Der gutbegabte Knabe von Heppenschwand kam oft nach St .Blasien, als das alte Kloster noch stand. Er hat den Brand von 1768 selbst als 18 jähriger miterlebt. Es war eine schmerzliche Erinnerung, als er später in seiner Chronik unter dem Jahre 1768 bemerkt: "Im Jule ist zu St. Blasi das Kloster samt Kirchen und Gotteshaus gänzlich abgebrannt". Der St. Blasianische Pfarrer behielt den geweckten Knaben im Auge. Er wurde gut geschult.
Wie lebendig schildert er S. 61 die
Hungersnot 1817
:
"Am 7.Juni gilt der Muth Kernen in Zürich das Mas und Gelt nach dem Waldshuther
gerechnet 50 fl., in Rheinheim ein Muth 42 fl., in Waldshuth weil die Sperr noch
existierte, 37 fl., ein Muth Haber 9 auch 10 und 11 fl., wan derselbe recht gut
ware. Zu dieser Zeit mußte sozusagen alles sparen, viele Menschen mußten sehr
Hunger leiden, viele Menschen, besonders in den Waldgegenten, lebten bereits
gantz von Gras. Diese Leute sahen sehr blaß aus, man hat ihnen den Hunger im
Angesicht und Augen angesehen, und seind mehrere aus Mangel der Lebensmittel,
folglich Hunger gestorben. Es war niemand mehr fröhlich, alles war traurig. Man
sahe sehr selten jemandt ein wenig lachen, und das Scherzten ist bereits an
allen Orthen verschwunden. Dieses war wahrhaft die Zeit der Not."
Wie er die Spache beherrscht und im Ausdruck zu wechseln
versteht, zeigt folgender Eintrag in der Chronik (S. 50):
"Das erste Jahr hat Johann Tröndle, Wirth die gesagten Matten zu benützen. Im
zweiten Jahr hat solches Jacob Jehle zu beachten. Im dritten Jahr hat Josef
Marder solches zu befolgen. Im vierten Jahr kommt der Rang an Fridolin
Baumgartner, Vogt. Im fünften Jahr hat Johann Baumgartner diese Beschwerde auf
sich zu nehmen. Im sechsten Jahr hat Josef Baumgartner den Kehr."
Die Teuerung von 1817 zeigt er in einer kurzen
Zahlenvergleichung mit dem Preisen von 1818 (S. 75)
Unterschied der Zeiten zwischen Wohlfeil und Theuerung.
Im Jahr 1817 kostet ein Muth Kernen 40 Gulden
Im Jahr 1818 kostet
ein Saum Wein 21,46
ein Muth Kernen 6,28
ein Muth Roggen 4,08
ein Muth Haber 2,08
ein Muth Wicken 5,52
ein Schobben Brandwein 0,18
für Brodt 0,04
ein Pfund Rauchtaback 0,40
2 Lot Schnupftabak 0,06
_____
fl. 39,30 cr
bleibt noch an Baarschaft im Sack 0,30 cr
zusammen wie oben fl. 40,00
Nota: der Unterschiedt der Theuerung ist in diesen zwey Jahren unendlich groß."
Aus den vergilbten Blättern seiner Chronik quillt kristallklar
wie das heimische Bergwasser seine echt alemannische Gemütstiefe, sein festes,
granitenes Gottvertrauen und sein kindlich frommer Glaube hervor. Von dem
Pfarrer Nikolaus Soder, der 1758 die jetzige Kirche erbaute, sagte er: "Er war
ein sehr braver und frommer Mann". In dem Waldkircher Kirchenbuch wird Jehle
genannt: "Honoratus et egregius orator" (ehrsamer und ausgezeichneter Redmann).
In den Kirchenfond stiftete er im Jahre 1824 72 Gulden zu einer Jahrzeit mit
zwei hl. Messen für sich und seine Frau Anna geb. Tröndle.
Über den
Erntesegen 1818
schreibt er unter anderem (S.
64) :
Im Jahre 1818 hat man zu Waldkirch auf der sogenannten unndern Rütte in des
Johann Tröndlis Acker ein Korn Ähre gefunden, welches zwanzig drei Fesen gehabt,
und in demselben ware zusammen 118, sage einhundertzehenacht, schöne und große
Kernen. Niemand weist sich zu erinnern, vorhin ein solches mit so vielen
mehlreichen Kernen besetztes Korn Ähre gesehen zu haben. Dieses war wahrhaft ein
von Gott gesegtnetes Ähre:"
Auf S. 96 und 97 erzählt er verschiedene schwere
Unglücksfälle und Verfehlungen
einer Gemeinde im Steinatal (Obermettingen)
und bemerkt dazu:
"Dieses ist nun das Schiksal der Menschen in Zeit fünf Jahren. Es wäre sehr zu
wünschen, daß diese Gemeinde, die etwan fehlerhaften Tugenden, wenn sie
dieselben haben sollten, ablegen und statt derselben einen rühmlichen und
besseren Lebenswandel einführen müßten."
Fünf Jahrhunderte hatte das hauensteinische Redmannamt bestanden. Johann Michael Jehle war sein letzter Vertreter, aber ein ganz würdiger. Wie in St. Blasien in Fürstabt Martin Gerbert kurz vor der Vernichtung die großartige Geschichte dieses Stiften nochmals in hellem Glanze aufleuchtete, so auch hier im Hauensteinerland. Die Lebeszeit Jehles war überaus reich an geschichtlichen Ereignissen. Er erlebte die Revolutions und Freiheitskriege und bekam an leitender Stelle der Herrschaft Hauenstein, in diesem Wetterwinkel des Deutschen Reiches, das Bitterste dieser aufgeregten Zeit zu kosten. Auch Pest und Hunger gehörten zu den Erfahrungen seines langen Lebens. Die Soldateska, besonders die Russen, brachten die schwarzen Pocken ins Land. In der langen Kriegszeit ging das Hungergespenst durchs Land. Aber 1817, wo die rauchende Kriegsfackel bereits erloschen war, brachte den zehrenden Hunger in knöcherner, bleicher Gestalt. Eine ganz neue Zeit kam herauf, und viel Altes das morsch war, aber auch viel Gutes aus der Väterzeit brach unbarmherzig zusammen.
Wir Hotzenwälder dürfen stolz sein auf unseren Johann Michael
Jehle. Ungebrochen und stark steht diese markige Hotzengestalt und dieser letzte
Redmann am Scheideweg zweier Zeiten. Für uns ist diese granitenen, gerade,
gottesfürchtige Bauerngestalt ein leuchtendes Beispiel. Wir Hotzenwälder legen
heute am 100. Jahrestag seines Todes, auf sein Grab in Waldkirch einen frischen
Kranz aus Weißtannenzweigen, blühendem Ghaid und Blaubeerenstüdle.
Quelle:
Pfarrer Jakob Ebner
im Konradskalender 1932
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